Lateinamerika und Karibik

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Die Corona-Pandemie hat Lateinamerika und die Karibik so hart getroffen wie keine andere Weltregion und alle bekannten Strukturprobleme schonungslos offengelegt. Sie traf auf eine Region, die ohnehin durch massive Proteste gegen eingefahrene Politiken in Aufruhr war. Damit erscheinen die bisherigen Entwicklungsparadigmen nicht länger tragfähig. Welchen Entwicklungspfad die zum Teil hochgradig polarisierten Länder nach dem Schock einschlagen, ist allerdings offen.

Der seit langem gewachsene Unmut über drastische soziale Schieflagen gipfelte 2019 insbesondere in Chile, Ecuador, Kolumbien und Panama in massiven Protestwellen – Gewaltspiralen inklusive – gegen Regierungen und politische Eliten. Diese hatten (zu) lange an etablierten Modellen der Wirtschafts- und Sozialordnung festgehalten, ihre Wohlstandsversprechen aber immer weniger einhalten können. In Argentinien, Brasilien und Mexiko vermischte sich Polarisierung mit einem populistisch motivierten Demokratieabbau.

Die bekannten ökonomischen Strukturschwächen Lateinamerikas – extreme Ungleichheit, mangelnde wirtschaftliche Produktivität, zerklüftete Sozialsysteme – hat die Corona-Pandemie wie in einem Brennglas gebündelt offengelegt. Bei genauerem Hinsehen ist der im BTI 2022 erreichte Tiefstand aber das Ergebnis einer kontinuierlichen Abwärtsbewegung über mehr als ein Jahrzehnt hinweg.

Auch die Governance-Qualität ist in Lateinamerika und der Karibik im Durchschnitt erneut gesunken, wobei der aktuelle Abschwung deutlicher auf das Konto der Demokratien geht, insbesondere Brasilien, El Salvador und Argentinien. Bei der Pandemiebekämpfung kann kaum einer Regierung ein durchgängig solides Krisenmanagement bescheinigt werden, obwohl nur wenige so desolat reagierten wie Brasiliens Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro oder Nicaraguas Regime unter Präsident Daniel Ortega.

Lateinamerika steht an einem Scheideweg, doch anders als in den 1980er und 1990er Jahren gibt keine Blaupause die Richtung vor wie damals das neoliberale Skript. Post-neoliberale Arrangements dürften jedenfalls ohne eine breitere wirtschaftliche Inklusion als bisher kaum zustande kommen.

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Ariam Macias-Weller
Regionalkoordinatorin Lateinamerika und Karibik
    Peter Thiery
    Regionalkoordinator Lateinamerika und Karibik

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