Mit dem Rücktritt von Michel Aoun im Oktober 2022 endete eine turbulente sechsjährige Präsidentschaft, die von angespannten politischen Beziehungen und der Politisierung der Untersuchungen zur Explosion im Beiruter Hafen geprägt war. Das Land steht vor einem anhaltenden Führungsvakuum, da sich bisher kein klarer Nachfolgekandidat mit parlamentarischer Zustimmung herauskristallisiert hat.
Wirtschaftlich gesehen leidet der Libanon unter einer der schlimmsten Krisen weltweit, die durch die COVID-19-Pandemie noch verschärft wurde. Die starke Abwertung des libanesischen Pfunds und das Entstehen eines illegalen Devisenmarktes belasten die Situation zusätzlich.
Die Konsenspflicht in der Politikgestaltung behindert eine wirksame Prioritätensetzung, da alle Politikbereiche stets Änderungen und Deals unterliegen. Die Notwendigkeit einer einstimmigen Einigung führt zu einer Lähmung der Kabinette. Der Widerstand der politischen Eliten gegen Reformen veranschaulicht die Stärke des Regimes und die mangelnde Kooperationsbereitschaft. Im Libanon mangelt es an sozialem Vertrauen und es ist für alternative Politikentwürfe schwierig, an Dynamik zu gewinnen und einen politischen Wandel herbeizuführen.